Moderne Märchen

Fritzchen:  Was ist ein Märchen?

Georg: Aber Fritzchen, du weißt doch was ein Märchen ist. Ich habe dir doch schon so viele schöne Märchen erzählt.

Fritzchen: Ja? Welche?

Georg: Na, die mit dem König und der Prinzessin und dem Bauernbub, der sie heiraten wollte.

Fritzchen: Märchen sind also Geschichten, in denen ein König, eine Prinzessin und ein Bauernbub vorkommen?

Georg: Nein, es gibt natürlich auch andere Geschichten mit einer Königin und einer Prinzessin, die gerade heiratet.

Da gibt es ganz viele Zeitungen, die heißen Gala oder Frau im Siegel oder so. Die schreiben nichts anderes. Die ganzen Regale im Supermarkt sind voll davon. Das sind aber keine Märchen.

Fritzchen: Wieso nicht?

Georg: Das sind Zeitungsberichte über echte Könige, Prinzessinnen und manchmal schreiben die auch über einen Bauernbub.

Fritzchen: Wirklich?

Georg: Ja, zum Beispiel wenn die Geschichte erzählt wird, dass ein Tellerwäscher Millionär geworden ist oder wenn einer im Lotto gewonnen hat.

Fritzchen: Und das sind keine Märchen?

Georg: Na ja, nicht ganz. Manchmal sind die Geschichte zu schön um wahr zu sein, also auch irgendwie märchenhaft.

Fritzchen: Märchen sind also Geschichten, die einfach nicht stimmen, die gelogen sind.

Georg: Ja schon, aber nicht nur.

Fritzchen: Was denn noch?

Georg: Es sind eben Geschichten, die man den Kindern erzählt, damit sie besser einschlafen.

Fritzchen: Märchen sind also zum Einschlafen?

Georg: Na ja, es sind eben Geschichten, die immer gut ausgehen.

Fritzchen: Also Märchen sind Geschichten, die gut ausgehen, aber gelogen sind? Und irgendwie wirken sie einschläfernd?

Georg: Na ja, das ist aber auch nicht die ganze Wahrheit.

Fritzchen: So? Was fehlt noch?

Georg: Märchen sind einfach schöne Geschichten.

Fritzchen: Also gut, Märchen sind schöne Geschichten, die gut ausgehen, aber gelogen sind und sie wirken einschläfernd.

Georg: Wenn du das so nennen willst.

Fritzchen: Gibt es auch Märchen für Erwachsene?

Georg: Was meinst du damit?

Fritzchen: Na ja, da gibt es doch das Märchen von der schönen Frau, die einem Mann zu Füßen liegt, weil der gerade ein neues Auto gekauft hat.

Georg: Ist das ein Märchen?

Fritzchen: Oder das Märchen von den Haaren, die nicht mehr ausfallen, wenn man irgend so ein teures Mittelchen kauft.

Georg: Ach, du meinst die Werbung?

Fritzchen: Ja, aber nicht nur.

Georg: Sondern?

Fritzchen: Da gibt es zum Beispiel das Märchen von der Demokratie.

Georg: Was soll denn daran märchenhaft sein.

Fritzchen: Wieso denn nicht?

Georg: Erstens einmal, die Demokratie gibt es wirklich, die ist also nicht gelogen: Zweitens geht da selten etwas gut aus, sondern das meiste geht daneben. Und drittens ist die Demokratie zwar bisweilen langweilig aber wolltest du, dass dein Onkel dir vor dem Einschlafen Geschichten über die Demokratie erzählt.

Fritzchen: Bitte nicht, dann schlaf ich lieber ohne eine Geschichte ein.

Georg: Aber wieso meinst Du, dass die Demokratie ein Märchen sei?

Fritzchen: Das Märchen von der Demokratie geht doch immer gut aus. Die Demokratie ist das happy end nach der Revolution. Das ist wie bei der Hochzeit am Ende vom Märchen. Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie immer noch in einem demokratischen Rechtsstaat.

Georg: Ja stell dir mal vor die Märchen würden so enden.

Fritzchen: Das stell ich mir lieber nicht vor.

Georg: Und was an der Demokratie ist jetzt gelogen?

Fritzchen: Es gibt keine Demokratie.

Georg: Ja wie jetzt?

Fritzchen: Es ist immer noch so wie früher.

Georg: Wie früher?

Fritzchen: Es gibt nach wie vor ganz wenige Menschen, die das Sagen haben und den Reichtum. Und den vererben sie ihren Kindern weiter, so wie früher die Könige.

Georg: Die Präsidenten und Kanzlerinnen werden aber am Volk gewählt.

Fritzchen: Das ist ja das Märchen.

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